taz-Bremen vom 6.10.2003
Der Blickelenker
Der Bremer Arthur Zapf ist Stadtführer und Künstler. Bei beiden Tätigkeiten geht es ihm vor
allem um eines: Das Unsichtbare sichtbar zu machen.
Ein kleines Menschengrüppchen steht am Schütting und starrt auf das Straßenpflaster. Hin und wieder blicken die
Leute auf und tauschen irritierte Blicke. Dann heften sich ihre Augen hilfesuchend auf einen in ihrer Mitte aufragenden
schwarz gewandeten Mann, dessen Augen unter buschigen, eng beieinander stehenden Brauen belustigt funkeln. Er plaudert
im lockerem Ton, mit weit ausholenden Gesten und süffisanten Mundwinkelzucken.
Der Bremer Arthur Zapf hat als Stadtführer eine besondere Gabe: Er macht "unsichtbares" sichtbar.
"Hier befand sich alsoder erste Hafen Bremens, direkt am Markt", erklärt Zapf, während sich die Gruppe langsam
Richtung Schnoorviertel bewegt; immer entlang des ehemaligen Verlaufs der Balge, dem rechten Nebenarm der Weser,
auf dem noch bis Mitte des 13.Jahrhunderts die Eeken - kahnähnliche Boote, die kleinsten nur 80 cm breit
und 3,50 Meter lang - schipperten. Sie dienten dem Transport von Waren und Personen.
Arthur Zapf schildert das damalige emsige Treiben auf dieser Wasserstraße. Packhäuser waren dicht
auf den Uferböschungen gebaut, und wenn Zapf redet, glaubt man es zu hören; das rufen der Kahnschiffer, das
Feilschen der Kaufleute, der Lastenträger. Und man glaubt es zu riechen, wie die heute unsichtbare Balge im
Laufe der Jahrhunderte immer mehr zur Kloake wurde.
Zudem weht ein Pesthauch über Bremen, der Frösteln macht. Die Stadtväter beschließen 1834: Die Flußarme werden
zugeschüttet. Staunen. Es stellt sich heraus: Die Stadt ist quasi auf Wasser gebaut! Denn nicht nur die Balge
wurde verfüllt, sondern auch der Dobben und der Kuhgraben, die in die Wümme mündeten.
Lediglich Straßennamen und spärlich übersehbare Pflastermarkierungen weisen heute noch auf deren damalige Existenz hin.
Das sind dann auch die wenigen Spuren, an denen sich Zapf lang hangeln kann. Intensive Archivrecherche, unzählige Gänge
durch die Stadt und Gespräche mit Anwohnern gingen dem Vortrag des Künstlers voraus. Wie nun, Stadtführer oder Künstler?
"Beides" betont der 48 jährige. Seine individuellen Führungen "ART.tours" überschneiden sich mit seiner künstlerischen Arbeit.
Tatsächlich wirken Zapfs Linolschnitte - zumeist von Gebäuden - die er mit ganz spezieller Drucktechnik aufbereitete.
Details. "Mich interessiert der Blick hinter die Hauptsache, das Fokussieren von Nebensächlichkeiten, die man leicht
und so gerne übersieht". Gerne arbeitet er auch mit übereinander liegenden Schichten, die er transparent läßt.
So entstehen Konglomerate von Stadtansichten, die gerade durch ihre Reichhaltigkeit darauf zielen, Einzelheiten
sichtbar zu machen. Genau diesen Ansatz also nutzt Arthur Zapf auch während seiner Stadttouren. Und er entpuppt
sich dabei sowohl als humoristischer Erzähler, denn auch als Blickelenker. Selbst aus dem Augenscheinlichen holt
er noch neue Einsichten. Im Oktober bietet Zapf Führungen im Rahmen des Ausstellungsprojekts, "niemand ist eine Insel" an,
mit Fokus auf die öffentliche Kunst. Unter dem Titel, "Legenden und Kunst in der Stadt", führt Zapf durch die Innenstadt;
und um das Buntentor geht es bei der Führung, "Ackerbürger und Selbstversorger."
Bei unserer Führung ist die veranschlagte Tourzeit längst überschritten. Fragen prasseln auf Arthur
nieder. Der muß manchmal lachend abwehren, denn einiges ist auch ihm neu. Für den Künstler im Stadtführer
ist das ein netter Nebeneffekt: "Jede Führung inspiriert mich".
Daniela Barth
Nächste Führungen am 11.Oktober um 11 und 14 Uhr. Übersicht unter: www.arttours-bremen.de
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