Weser Kurier vom 02.08.2003
Niemand vermisste Salat und Putenbrust
Sommerliche Kohl- und Pinkel-Fahrer entdecken die verwunschenen Pfade ihrer Stadt.
von unserem Redaktionsmitglied Daniela Schröder
Knapp 30 Grad im Schatten. Ventilatoren laufen auf Hochtouren, Eisdielenbesitzer machen
traumhafte Umsätze, Badeseen und Schwimmbäder sind rappelvoll. Literweise Apfelschorle
und Wasser löschen den Durst, gegen Abend kommen Weißwein, Bier oder ein fruchtiger
Cocktail auf den Tisch. Dazu Sommergerichte mit Huhn oder Fisch, knackigem Gemüse
und frischen Kräutern.
Leichte Küche? Von wegen. Eine kleine Gruppe begeisterter Kohl- und Pinkelfans stellte auch
in diesem Sommer die urbremische Tradition auf den Kopf. Klare frostige Wintertage,
verschneite Wiesen und Wälder. Optimale Bedingungen für eine Kohl- und Pinkel-Fahrt.
Doch was im Winter Spaß macht, kann im Sommer so schlecht nicht sein, dachte sich
Holger Hagdorn, Chef vom Schnoor-Restaurant "Fidelitas", und Bärbel Lankenau, Wirtin der
Viertel-Kneipe "Lustiger Schuster".
Mit rund einem Dutzend ihrer Stammgäste und reichlich Verpflegung im Bollerwagen
machten sie sich am Donnerstagabend auf zur feucht-fröhlichen Kohltour quer durch die
Innenstadt.
"Das Braunkohlessen im Sommer veranstalten wir schon zum siebten Mal", erzählte
Gastronom Hagdorn. "Doch bisher fehlte die kleine Wanderung davor." Mit Stadtführer
Arthur Zapf von ART.tours-Bremen holten die Wirte den richtigen Mann ins Boot. Von der
St. Pauli-Straße aus zogen die Sommer-Kohlfahrer durchs Viertel, entdecken verwunschene
Pfade und unbekannte Ecken. Dass die Brauerei Beck & Co einst im Viertel braute, wusste
niemand aus der Gruppe. Auch der Ursprung vieler Straßennamen war ihnen unbekannt.
"Obwohl wir alle Bremer sind oder schon lange im Viertel wohnen, gibt es so manche
Geschichte, die wir nicht kennen", sagte Lankenau.
Nach jeder Geschichte an jeder Ecke eine kurze Getränkepause. Eiskalter Korn, kühles Bier,
für die Damen ein Becher mit Sekt. Kühlbox und Eiswürfel leisteten bis kurz vor Tourschluss
gute Dienste. Reihum zogen die Wanderer den mit Mangold-Stengeln- "frischen Braunkohl
können wir ja schlecht dran hängen" - geschmückten Bollerwagen. Durch das Viertel und die
Wallanlagen trabte die Gruppe hinüber in den Schnoor.
Hinter den dicken alten Steinmauern des "Fidelitas" kühlten die erhitzten Kohlfahrer kurz ab.
Dann der Höhepunkt der Aktion: Das Braunkohlessen. Kohl, Kartoffeln, Bauchspeck,
Kasseler und Pinkel satt. Salat mit Putenbrust vermisste niemand an der großen Tafel. "Der
Kohl ist aus der Dose", gestand Hagdorn zwischen zwei Schlucke Bier. "Damit alles etwas
bekömmtlicher wird, haben wir weniger Fett und dafür mehr Piment verwendet."
Kohlfahrer Luis Campo stammt eigentlich aus Barcelona. Über die Zwischenstation Mallorca
verschlug es ihn schließlich nach Bremen. "Zu einem Kohl-und Pinkel-Essen habe ich auch
in Spanien schon eingeladen", erzählt er. "Meine Freunde waren total begeistert."
Na also. Klarer Beweis für die Tauglichkeit als Sommergericht bei schweißtreibenden
Temperaturen. Sollten die Gartenrestaurants in den nächsten Wochen Braunkohl und
Pinkelwurst auf ihre Speisekarte setzen, ist die Vorgeschichte bestens bekannt.
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